
Smalltalk: Eskapismus im Metronom
Vor einigen Wochen wurde ich wieder einmal daran erinnert, wie positiv Lesen für das Gemüt sein kann. In meinen Erinnerungen ist es Ende Juli. Das 9-Euro-Ticket macht jede Reise mit der Regionalbahn zum Abenteuer mit reichlich ungewolltem Körperkontakt. Ich stehe verschwitzt (bei gefühlt über 30 Grad) in einem überfüllten Metronom in Richtung Hamburg. Eine Wespe ist an der Haltestelle dazu geflogen und hat beschlossen, uns Fahrgäste maximal zu ärgern. Eigentlich heißt es da Ruhe bewahren. Doch eine Mädelstruppe dicht neben mir, die augenscheinlich auf dem Weg zu einem Festival ist (auffällig durch die trendigen Glitzersteine im Gesicht), schlägt immer wieder wild um sich. Die FFP2-Maske im Gesicht hilft mir dabei, meine unschönen Grimassen zu verbergen und mein Stöhnen zu dämpfen. Ja, ich bin in diesem Augenblick stark genervt von der Gesamtsituation. Menschlich!?
Dann sehe ich einen jungen Mann mit roten Haaren und einer nerdigen Brille auf der Nase. Er steht umringt von zahlreichen Fahrgästen, die mir einen ähnlich optimistischen Eindruck vermitteln, wie ich ihn gerade verspüre. Mit einer Hand stützt er sich an der Wand des Metronoms ab, in der anderen Hand hält er ein dickes Taschenbuch. Ich vermute anhand des Covers einen Fantasyroman. Gebannt blättert er durch die Seiten und lässt sich selbst von anderen Fahrgästen nicht stören, die ihn beim Vorbeiquetschen stetig anrempeln. Er sieht zufrieden aus und hat kurz vor dem Aussteigen sogar ein Lächeln im Gesicht. Ich habe das Gefühl, dass er gerade aus einer anderen Welt in die Realität zurückgekehrt ist. Völlig relaxt. Ich bin beeindruckt!
In diesem Moment wird mir bewusst: Ich sollte mal wieder ein (gedrucktes) Buch lesen bzw. stets in der Tasche dabeihaben. Das hat bei mir leider stark nachgelassen – das eine oder andere Sachbuch zu Weiterbildungszwecken exklusive. Der Grund: Seit Corona arbeite ich ausschließlich im Homeoffice. Davor habe ich auf dem Rückweg von der Arbeit immer viel gelesen und ein Printbuch oder eine Zeitschrift mit mir herumgetragen. Bei dieser mobilen Weltenflucht konnte auch mich so schnell nichts aus der Ruhe bringen oder an meinem Gemüt kratzen. Denn ein gutes Buch kann wirklich eine entspannende Magie entfalten, erinnere ich mich.
Kürzlich habe ich mir dann, nach dem Studieren zahlreicher Inhaltsangaben, einen Roman mit dem Titel »Die kleine literarische Apotheke« von Elena Molini gekauft, in dem eine Buchhändlerin ihren ratsuchenden Kunden Bücher wie Medizin verordnet. Mein Gedanke: Ein Roman, in dem ich weitere Buchtipps bekomme, kann nicht verkehrt sein. Nun, ich bin gespannt! Meine nächste Reise mit dem Zug bzw. eine längere U-Bahn-Fahrt steht mir demnächst noch bevor. Bis dahin vertreibe ich mir die Zeit mit einem guten Hörbuch oder Podcast in den Ohren, wenn ich unterwegs bin oder mich im Alltagswuselmodus befinde. Das hat glücklicherweise einen ähnlichen Effekt auf mich, während ich den lästigen Hausputz oder andere unschöne Alltagsplichten erledige. Relax!
© Blogbeitrag und Beitragsbild by www.filimure.de ǀ Autorin: Doreen