Film-/Serienreview,  Serie nach Buchvorlage

Schaulust oder Schaufrust? »State of the Union« – Eine wöchentliche Paartherapie in zehn Mini-Episoden

Originaltitel: State of the Union ǀ Land: UK ǀ Serienstart: 2019 (1 Staffel/10 Folgen) ǀ Spielzeit: ca. 10 Min. pro Folge ǀ Drehbuch: Nick Hornby ǀ Regie: Stephen Frears ǀ Darsteller: u. a. Rosamund Pike (Louise), Chris O’Dowd (Tom), Sope Dirisu (Giles), Aisling Bea (Anna)

Hand aufs Leserherz! Wer hat bisher noch keinen Roman von Bestsellerautor Nick Hornby gelesen? Ja, also ICH! Ich habe zu(vor)letzt die Romanadaption Juliet, Naked von dem High Fidelity-Autor im Heimkino geschaut, für ein Buch aus seiner Feder hat es bis heute aber nie gereicht. Dabei habe ich zu seinem aktuellen Roman Just Like You bisher viele gute Kritiken vernommen – das Hörbuch befindet sich zumindest schon auf meinem Smartphone. Bei seinem hierzulande im März 2020 veröffentlichten Roman Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst – Eine Ehe in zehn Sitzungen vernahm ich hingegen eher durchwachsene Reaktionen. Die einen mögen die witzigen wie schlagfertigen Dialoge. Andere finden die ehelichen »Warm-up«-Treffen in einem englischen Pub, die kurz vor der wöchentlichen Paartherapie stattfinden, eher blass skizziert und die Geschichte mit circa 160 Buchseiten viel zu kurz.

Infos zum Buch

Kurzbeschreibung:

Tom und Louise machen eine Paartherapie, denn nach vielen Ehejahren ist die Beziehung mehr oder weniger in eine Sackgasse geraten. Was die beiden umtreibt und wo der Hase im Pfeffer liegt, erfährt der Leser nach und nach von ihnen direkt – beim Warten auf die nächste Therapiesitzung im Pub gegenüber. Tom und Louise treffen sich. Regelmäßig. Doch es ist keine Verabredung im herkömmlichen Sinne, der Pub dient ihnen nur als Treffpunkt vor ihren Sitzungen bei einer Paartherapeutin. Die beiden sind seit vielen Jahren verheiratet, nach einem nicht so erfreulichen Ereignis könnte man sagen, seit zu vielen Jahren. Im Pub besprechen sie, was alles unter den Teppich gekehrt wurde und durch die Therapie hervorgekramt wird…

© Bild-/Textquelle: Kiepenheuer & Witsch

Originaltitel: State of the Union ǀ Autor: Nick Hornby ǀ Übersetzung: Ingo Herzke ǀ Verlag: Kiepenheuer & Witsch ǀ Veröffentlichung: 05. März 2020 ǀ Hardcover: 160 Seiten ǀ ISBN: 978-3-462-05410-1 ǀ Preis: 18,00 €

Wer wie ich ein Faible für Romanverfilmungen im Serienformat hat, der kann den intensiven Vor-Paartherapietreffen von Tom und Louise alternativ noch bis zum 1. April 2021 in der ARD-Mediathek beiwohnen – mit Chris O’Dowd und Rosamund Pike in den Hauptrollen. Beide wurden für ihre grandiose Performance mit einem Emmy Award (2019) in der Kategorie Outstanding Actor/Actress In A Short Form Comedy Or Drama Series ausgezeichnet. Einen weiteren Emmy regnete es in der Kategorie Outstanding Short Form Comedy or Drama Series. Inzwischen ist von dem US-Sender SundanceTV eine zweite Staffel bestätigt worden, mit einem anderen Paar und folglich einem anderen Cast im Fokus. Neugierig? Dann viel Spaß! Bei zehn Episoden mit einer Spieldauer von je (circa) zehn Minuten beansprucht die britische TV-Comedy-Serie State of the Union auch nur wenig Zeit.


Ein vorsichtiger Blick auf die Uhr: Das kann ja heiter werden!


Oha! Ich bin ehrlich: In den ersten Minuten der Startfolge »Woche eins – Der Marathon« dachte ich mir: Das kann ja heiter werden! Da sitzt Tom (Chris O’Dowd), gebeugt vor einem Kreuzworträtsel, in einem englischen Pub. Kurz darauf betritt Louise (Rosamund Pike) den Raum und die Unterhaltung gestaltet sich… eher verhalten. Als BeobachterIn weiß man zunächst nicht so recht, in welcher Beziehung die beiden zueinander stehen. Tom hat schon mal die für jedes Treffen üblichen Getränke (Bier und Weißwein) bestellt. Das führt sogleich zu einem kurzen Dialog darüber, ob Tom nach seinem zweiten Bier nicht vorsichtshalber eine Pinkelpause einlegen sollte. Gefolgt von einem philosophischen Gedankensprung zu Emmanuel Kant und seiner Theorie der Vernunft. Dein Ernst? Das denkt sich wohl auch Louise und wirft einen eiligen und zugleich ernüchterten Blick auf die Uhr. Dito!

»Du hattest aufgehört mit mir zu schlafen. Ich habe angefangen mit jemand anderem zu schlafen.«

Zitat aus »State of the Union« Staffel 1, Episode 1 »Woche eins – Der Marathon«

Dann kommt endlich Schwung in das Gespräch. Nach einer kurzen Klärung darüber, wie es den gemeinsamen Kindern geht, offenbaren Tom und Louise den Kern ihres Eheproblems: Nach einem Seitensprung befindet sich die langjährige Ehe auf der Kippe. Deshalb steht der Besuch bei einer Paartherapeutin kurz bevor. Doch wie und wann haben die Probleme tatsächlich begonnen? Da sind sich Tom und Louise uneinig und diskutieren bis ins kleinste Detail. Das können sie gut! Nicht zuletzt was die Anzahl an Seitensprüngen während einer Affäre betrifft. Im dialogreichen Handlungsverlauf kann es durchaus von immenser Bedeutung sein, ob die verlorene Leidenschaft mit dem Verlegen eines Schlüssels oder eines Kugelschreibers gleichzusetzen ist – einen der Gegenstände sucht man intensiver. Kommunikative Missverständnisse und Abschweifungen sind in der Regel inklusive.


Die Probleme der Anderen vs. Diskussionen über den (Ehe-)Brexit


Insgesamt gleicht »State of the Union« einem Theaterstück, in dem die Kulisse selten gewechselt und das zuvor Erlebte bevorzugt bei Weißwein und Bier erörtert wird. Der arbeitslose Musikjournalist und die engagierte Ärztin treffen sich nämlich in jeder Folge in dem gleichen Pub direkt gegenüber der Eheberatung. Oft überqueren sie am Ende einer Episode gemeinsam die Straße und klingeln bei der Praxis. Als ZuschauerIn bekommt man aber nie einen Einblick in die Therapiestunden, sondern erfährt lediglich beim nächsten »Warm-up« den aktuellen Stand der Beziehung. Während der Gespräche hört man zugleich mehr über den Background der ungleichen Ehepartner heraus. Tom zum Beispiel läuft gerne vor Problemen davon, wie man in der Startfolge sieht. Herrlich!

»Wer auszieht, begibt sich auf eine rutschige Piste. Es ist schwer sie wieder hinaufzuklettern.«

Zitat aus »State of the Union« Staffel 1, Episode 5 »Woche fünf – Der Auszug«

Kommt bei dieser Art der Inszenierung keine Langeweile auf? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht! Der eigene Humor/Geschmack dürfte entscheidend sein. Ich persönlich mag dieses Wort-Ping-Pong zwischen Louise und Tom. Es ist schon unterhaltsam, wenn sie andere Paare beobachten, die jüngst die Praxis verlassen haben, und Spekulationen über fremde Eheprobleme aufstellen. Für kurze Momente scheinen die eigenen Sorgen weniger groß zu sein und Stoff für weitere Diskussionen ist geboten. Mit einer Vorliebe für Metaphern und Vergleiche wird über Gott und die Welt sinniert – von Politik über Popkultur und Sex bis hin zur Passion für Kreuzworträtsel und natürlich die verkorkste Ehe. Interessant wird es in der zweiten Folge, wenn eine mögliche Scheidung mit dem Brexit verglichen wird und Ungeheuerliches ans Tageslicht kommt. Ein Thema, das nach dieser Episode keinesfalls vom Tisch ist und bei Kämpferin Louise soziale Argumente wie Ärger hervorlockt. Eine ähnliche Debatte haben mit Sicherheit einige Briten geführt.


Wenn alles auf das Offensichtliche hinausläuft…


Ob mich der Roman genauso fesseln könnte? Trotz aller Begeisterung für diese Serie bin ich mir unsicher, obwohl Nick Hornby selbst das Drehbuch verfasst hat. Ich finde die Dialoge großartig, unterhaltsam und gut pointiert – wenn auch gerne am eigentlichen Thema vorbei. Was mich an »State of the Union« aber primär abholt, sind Chris O’Dowd und Rosamund Pike. Beide überzeugen mit einer authentischen wie einnehmenden Darstellung, die es einem leicht macht, Tom und Louise zu mögen. Trotz charakterlicher Fehler wirken sie nahbar und sympathisch. Es ist fast, als würde man einen Tisch weiter in dem englischen Pub sitzen und eines dieser typischen Ehepaare beobachten, das sich an Kleinigkeiten reibt und dennoch zu schätzen weiß, was es aneinander hat.

»Das erklärt warum wir zusammenkamen, aber nicht warum wir zusammenblieben.«

Zitat aus »State of the Union« Staffel 1, Episode 8 »Woche acht – Die Delfine«

Von Folge zu Folge vergisst man dabei fast, dass das Drehbuch nur wenige dramaturgische Höhen und Tiefen bereithält. Tom und Louise mögen vielleicht die Leidenschaft füreinander verlegt haben, durch den respektvollen und harmonischen Umgang merkt man aber schnell, auf welche Zielgerade dieser Ehe-Marathon zusteuern wird, der sich am Ende wie ein erfrischender Sprint mit gelegentlichen Stolpersteinen anfühlen kann – auf eine gute Weise vorhersehbar. Die Synchronsprecher Sascha Rotermund und Alexandra Marisa Wilcke, die Tom und Louise ihre deutschen Stimmen leihen, runden das unterhaltsame Gesamtpaket auditiv ab. Wer »State of the Union« lieber im Original sehen möchte, kann dies in der ARD-Mediathek ebenfalls tun. Mann/Frau hat die Wahl!


Mein Fazit


In dieser Romanadaption von Bestsellerautor Nick Hornby reflektieren Chris O’Dowd und Rosamund Pike eine wöchentliche Paartherapie in zehn Mini-Episoden. Mit einer Vorliebe für Metaphern und Vergleiche wird über Gott und die Welt sinniert – vom Brexit über Popkultur und Sex bis hin zur Passion für Kreuzworträtsel und natürlich die verkorkste Ehe der Hauptfiguren. Der eigene Humor/Geschmack dürfte entscheidend sein, ob man »State of the Union« mag oder nicht. Von mir gibt es eine klare Empfehlung!


Transparente Information:
Dieser Beitrag ist ohne jedwede Kooperation entstanden. Im Text sind u. a. Verlinkungen zur IMDb Website (Internet Movie Database) sowie den jeweiligen Buchverlagen enthalten – rein zur näheren Information.

© Buchcover im Beitragsbild: Kiepenheuer & Witsch | Blogbeitrag by www.filimure.de / Autorin: Doreen

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