
Buchrezension zu »Julia« von Anne Fortier ǀ Romeo & Julia mal anders, aber nach einem interessanten Einstieg plötzlich im falschen Film

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Kurzbeschreibung:
Das Geheimnis um die größte Liebesgeschichte der Welt: Romeo und Julia. Ein altes Buch lockt die junge Amerikanerin Julia nach Italien: es ist die Urfassung des Romeo-und-Julia-Stoffes und es handelt von den verfeindeten Familien Tolomei und Salimbeni in Siena. Völlig überrascht stößt Julia auch auf die Warnung ihrer verstorbenen Mutter: bis heute liege ein Fluch auf den Familien – und damit auch auf ihr. Denn ihr wahrer Name ist Giulietta Tolomei. Auf der Suche nach ihrem Erbe spürt Julia, dass sie beobachtet und verfolgt wird. Während Siena dem Palio entgegenfiebert, gerät sie in höchste Gefahr. Wird der Fluch der Vergangenheit auch ihr zum Schicksal?
© Bild-/Textquelle: Fischer Verlage
Erscheinung: 12.05.2011 ǀ Autorin: Anne Fortier ǀ Verlag: Fischer ǀ Originaltitel: Julia ǀ Übersetzung: Birgit Moosmüller ǀ Taschenbuch: 640 Seiten ǀ ISBN: 978-3-596-18556-6 ǀ Preis: 9,99 €
Sich schriftstellerisch an einen Shakespeare – insbesondere DIE Liebestragödie schlechthin – zu wagen, ist gewiss kein leichtes Unterfangen und mit etwas Risiko verbunden. Ja, die lieben Erwartungen! Die dänisch-kanadische Autorin Anne Fortier traute sich dennoch an William Shakespeares “Romeo und Julia” und landete mit ihrem Debüt “Julia” prompt einen weltweiten Bestseller.
Was “Julia” eingangs so faszinierend macht, ist wohl die Verschmelzung aus Gegenwart und Vergangenheit sowie Historie und (Action-)Thriller. Anne Fortier kreiert eine etwas andere Darstellung der tragisch Liebenden und verlegt die Kullisse unter anderem ins Siena des 14. Jahrhunderts, statt des bekannten Verona, infolge von (wie im Nachwort beschrieben) intensiven Recherchen. So sind es hier nicht die Capulets und die Montagues, die sich bis aufs Blut bekämpfen, sondern die Tomoleis und Salimbenis. Und mittendrin die nach Rache hungernde Giulietta Tomolei sowie Casanova Romeo Marescotti – Shakespeares einstige Inspiration, dem Roman nach. Eine komplett andere Version also, die nicht minder tragisch endet und mit netten Schmunzlern versehen wurde. Letzteres speziell in den historischen Szenen mittels Fortiers (gewollt oder ungewollt) humorvoll altertümlichem Schreibstil.
Vorab gilt es jedoch, mit Vollwaisin Julia dem rätselhaften Brief der verstorbenen wie geliebten Tante Rose auf den Grund zu gehen. Dieser befördert sie von ihrer habgierigen Zwillingsschwester Janice hinfort ins Siena der Gegenwart. Die Aussicht: ein Schatz, der die löchrige Geldbörse aufbessern soll, Julia auf die Spuren eines alten Familienfluchs bringt und in die Arme eines feindseligen wie attraktiven Italieners treibt. Wie nicht anders erwartend, ergeben beide Geschichten, die parallel zueinander angeschnitten werden (Ich-/allwissender Erzähler), schließlich ein Ganzes und es ist nur eine Frage der Zeit bis Julia ihrem “Romeo” (erneut) begegnet.
Also in etwa bis zur zweiten Buchhälfte war ich recht angetan und ließ die Seiten im Eiltempo an mir vorbeiziehen. Das Kennenlernen im 14. Jahrhundert sowie der heutigen Zeit gestaltete sich faszinierend, spannend und unterhaltsam, obgleich Fortier sich ebenfalls an der Liebe auf den ersten Blick orientiert und die Gefühle zwischen Romeo und Giulietta somit eher oberflächlichen Ursprungs sind – ähnlich wie bei Shakespeare. Gleiches kann man leider über die gegenwärtige Liebesgeschichte behaupten, die mich zu keiner Sekunde für sich gewinnen konnte. Das Hauptproblem: Ich-Erzählerin Julia und die auf etlichen Zufällen basierende Handlung. Spätestens ab Seite 300 wird es immer abstruser und ausufender. Selbst manch überraschende wie haarsträubende Wendung konnte mich da nicht mehr aus dem ermüdenden Lesetief befreien.
Mit Julia zu harmonieren fiel mir ebenfalls zunehmend schwerer. Ihre snobistische Schwester Janice wird zwar um einiges unsympathischer dargestellt und Julia hat gewiss ihre guten Seiten, doch halten wir fest: Julias primäre Motivation besteht darin, die gelobte Trophäe ausfindig zu machen, da sie sich stets auf das Erbe der Tante verlassen hat und somit keine Anstrengungen in die Zukunft/das eigene Konto gelegt hat. Das wird gerne wiederholt! Zudem gerät ihr freier Wille ständig in Gefahr und sie stolpert von einem Hinweis zum nächsten, beginnend am Flughafen in Richtung Siena. Verachtet sie eingangs den gegenwärtigen “Romeo” (er ist flott entlarvt), ändert sie ihre Denkweise, sobald sie seine Hilfe benötigt. Bisweilen legt sie etwas naive Eigenschaften an den Tag.
Dann gibt es noch einen aufdringlichen Motorradfahrer, dessen wahre Identität durchaus überrascht, allerdings eher deplatziert wirkt und die schatzsuchende Julia ebenfalls zur willenlosen Marionette mutieren lässt. Ihr Protest schmilzt sozusagen wie Eis unter der heißen, toskanischen Sonne. Da fällt es nicht leicht, das gutmütige Ende zu akzeptieren. Und der Fluch? Der ist eine ganz andere Sache und erzählt eine weitere – für mich eher verquere – Geschichte, die nicht ganz ins Gesamtkonzept passen mag. Trotz des actionlastigen letzten Drittels war die Luft einfach raus. Zu lieblos erzählt und weit ausgeholt erschien mir die Shakespeare-meets-Thriller-meets-Action-(Love)Story plötzlich. Nicht einmal der wahre Schurke, der überwiegend im Hintergrund agiert und auf den letzten Seiten die Bühne betritt, vermochte diesen Umstand zu ändern.
Fazit
Manche Dinge sollte man einfach lassen, wie sie sind. Shakespeares “Romeo und Julia” gehört für mich eindeutig dazu! Leider schaffte es Bestsellerautorin Anne Fortier mit ihrem Debüt “Julia” nicht, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Nach einem packenden wie gut recherchierten Einstieg verstrickt sich die thrillerartige wie teils historisch angehauchte (Love)Story in seiner Komplexität. Für mich leider auf Kosten der Spannung sowie den Hauptcharakteren aus (vor allem) Gegenwart und Vergangenheit. Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Romeo und Julia Interpretation seine Fans findet, meinen Geschmack traf Bestsellerautorin Anne Fortier bedauerlicherweise weniger.
Transparente Information: |
Die Buchbesprechung bezieht sich auf ein selbstgekauftes Buch und die Anzeige in der Produktinformation auf den Verlagslink, da dort das Buch zum Direktkauf angeboten wird. Ich selbst verdiene keinen Cent mit der Verlinkung. Überdies bilde ich mir stets meine eigene Meinung und tue diese auch unbeeinflusst kund. |
© Buchrezension by www.filimure.de | Autorin: Doreen